Das BEV im 21. Jahrhundert

Strukturreform 1997 und Positionierung als moderne Behörde und Dienstleister

Im Frühjahr 1995 wurde dem Zeitgeist geschuldet zum wiederholten Mal eine Diskussion über eine mögliche Ausgliederung (Privatisierung) des BEV begonnen und eine „Ausgliederungskommission" mit der Ausarbeitung eines diesbezüglichen Konzeptes beauftragt. Im Verlaufe der Beratungen dieses Gremiums zeigte sich jedoch deutlich, dass eine Privatisierung des BEV weder in budgetärer noch in produktionstechnischer Hinsicht zielführend wäre. Gleichzeitig führte eine von den politischen Entscheidungsträgern angeordnete lineare Personalreduktion zu Kapazitätsproblemen im laufenden Dienstbetrieb.

Dies war der Startschuss für grundlegende Modernisierungen im BEV und die Wende von einer Behörde zum modernen Verwaltungsdienstleister.

Die wesentlichsten Punkte der Reform waren die Zusammenführung der Gruppen K und L, Reduktion der Fachabteilungen, Auflassung der Eich- und Vermessungsinspektorate und Katasterdienststellen, Einrichtung einer Gruppe Ämter, Einrichtung eines Wirtschaft- und Finanzmanagements, Zusammenführung der finanzgesetzlichen Budgetansätze des Eich-und Vermessungswesens und Zusammenführung der vorher getrennten Planstellenbereiche.

Zusätzlich dazu wurden auch dezentrale Standorte reduziert. Statt bisher 87 Eich- und Vermessungsämter gab es nunmehr 50 in ganz Österreich, was sich in der am 1. Jänner 1998 erlassenen Vermessungsamtssprengelverordnung und der Eichämterverordnung zeigte.

Trotz Aufnahmestopp und Standortschließungen konnten die Dienstleistungen des BEV weiterhin in gewohnter Qualität erbracht werden, was nicht zuletzt an der Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der stetig voran schreitenden Digitalisierung lag, die im BEV einen hohen Stellenwert hatte.

Auch intern wurden durch die Einführung folgender Managementinstrumente zur Modernisierung und Effizienzsteigerung beigetragen:

  • Qualitätsmanagement
  • Umweltmanagement
  • Marketing
  • Produktentwicklung
  • Controlling
  • Informationsmanagement
  • Personalentwicklung

Die Eichstellenverordnung und ein Paradigmenwechsel im Eichwesen

Das Eichen ist eine hoheitliche Tätigkeit und wurde seit dem Bestehen des gesetzlichen Messwesens durch die dafür zuständigen Behörden durchgeführt. Ausgenommen davon waren die Beglaubigungsstellen, die damals schon Geräte in großen Mengen (z.B. Zähler) direkt bei der Abfertigungsstelle geprüft haben.

Eine Novelle des Maß- und Eichgesetzes (MEG) und die auf dessen Grundlage erlassene Eichstellenverordnung ermöglichten es, dass mit 1. Juni 2004 akkreditierte Stellen Eichungen durchführen können. Am 1. Juli 2011 ging die Akkreditierung in eine Ermächtigung durch das BEV über.

Im Gegensatz zum „alten“ System können nunmehr private Wirtschaftsakteure vom BEV ermächtigt werden, bei bestimmten, durch Verordnung festzusetzenden, Messgerätearten die Eichung durchzuführen.

Diese sogenannten Eichstellen werden hoheitlich tätig und vom BEV laufend überwacht. Diese Änderung im System bringt auch Vorteile für die Kundinnen und Kunden mit sich. Hervorzuheben sind dabei insbesondere die Flexibilität, da die Eichstelle frei gewählt werden kann, und die Kostenersparnis, da durch die verschiedenen Eichstellen ein Kostenvergleich gegeben ist.

Bestimmte eichpflichtige Geräte bleiben nach wie vor in der Zuständigkeit des BEV. Dazu zählen beispielsweise Geräte zur Geschwindigkeitsmessung, Geräte zur Messung von Alkohol in der Atemluft sowie eichpflichtige Messgeräte, für die keine private Eichstelle zur Eichung ermächtigt ist.

Das Adressregister – einheitliche Abgabe aller Adressen in Österreich

Mit BGBl. I Nr. 9/2004 wurde das Adressregister geschaffen, im Vermessungsgesetz angesiedelt und somit in den Vollzugsbereich des BEV zugeordnet.

Das Adressregister gibt österreichweit authentisch alle von den Städten und Gemeinden offiziell vergeben Adressen wieder. Damit ist es die Referenz für die Adressen Österreichs bezüglich Adressierbarkeit, Schreibweise, Ordnungsnummernvergabe und räumlicher Zuordnung (Geocodierung).

Zum ersten Mal sind daher nunmehr die von den Gemeinden vergebenen Adressen in einer Anwendung gesammelt und können authentisch abgegeben werden. Das Register (auf dem weitere Anwendungen wie das Zentrale Wahlsprengeltool, das Gebäude- und Wohnungsregister und das Zentrale Melderegister aufbauen) bietet einen hohen Mehrwert für die Kundinnen und Kunden:

Die Adressdaten können für herkömmliche Adressierungen, aber auch für alle Anwendungen eingesetzt werden, bei denen Sachdaten mit offiziellen Adressen kombiniert werden sollen oder räumliche Beziehungen hergestellt werden müssen, wie beispielsweise Standortplanung, Routenplanung, Marktforschung, uvm.

Laborneubau im Amtsgebäude Arltgasse

Ein weiterer Meilenstein für das BEV, insbesondere für die Gruppe Eichwesen, war der Neubau der Labore im Amtsgebäude Arltgasse im Jahr 2011. Der Neubau war erforderlich, um den im MEG vorgegebenen Aufgaben als nationales Metrologieinstitut gerecht werden zu können.

Nach zweijähriger Bauzeit konnten die 40 neuen Labore feierlich in Betrieb genommen werden. Das Vorhaben, das von der Eigentümerin des Gebäudes (Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H.) abgewickelt wurde, hatte ein Volumen von rund 12 Mio. Euro.

Neuer_Labortrakt
Das neue Labor im Amtsgebäude Arltgasse 35, 1160 Wien Foto: Bundesimmobiliengesellschaft

Dieser hohe Betrag wird nach einem genaueren Blick auf die Spezifikationen des Neubaus verständlich. Die bereits erwähnten 40 Labore befinden sich in einer Art Wanne, also einem Gebäude im Gebäude, welche durch die Entkopplung verhindert, dass beispielsweiese magnetische Einflüsse und Schwingungen Einfluss auf die hochgenauen Messergebnisse haben.

Um den Anforderungen in den Laboren gerecht zu werden, wurde eine spezielle Anlage installiert, die für eine konstante Temperatur und die Reinheit der Luft sorgt.

Der neue Labortrakt hat eine Fläche von rund 1.300 m2, zusätzlich dazu unterirdisch 900 m2 an Fläche. Hervorzuheben dabei ist der 52 m lange Messstollen zur Kalibrierung von Messbändern und Distanzmessern.

Dank dieses Neubaus ist das Längenmesslabor des BEV heute ein weltweites Referenzlabor für die Darstellung der Maßeinheit Länge.

Erneute Standortreform bei den Vermessungsämtern

Beginnend mit dem Jahr 2016 gab es eine erneute (dezentrale) Standortreform. Insbesondere durch die zukünftigen Personalrückgänge und die budgetäre Situation war es nicht möglich, die bis dahin bestehende Dichte an Standorten aufrecht zu erhalten. Hauptsächlich von Schließungen und Zusammenlegungen betroffen waren die Informations- und Telearbeitszentren sowie Außenstellen und Ämter in Oberösterreich, Niederösterreich, dem Burgenland und der Steiermark.

Die Situation der Vermessungsämter stellte sich nunmehr (Stand 2020) wie folgt dar:

Standorte_2020.jpg
Standorte der Vermessungsämter des BEV seit 2020 © bev.gv.at

Das BEV als Notifizierte Stelle und die COVID-19 Pandemie

Das BEV ist seit 2016 eine Notifzierte Stelle (Notified Body) mit der Nummer NB 0445 für die Richtlinie 2014/31/EU (non-automatic weighing instruments – Nichtselbsttätige Waagen) und die Richtlinie 2014/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über Messgeräte.

Notifizierte Stellen sind staatlich benannte und überwachte Organisationen, die im Auftrag der Hersteller tätig werden, um die Konformitätsbewertung von Herstellern von Industrieerzeugnissen unterschiedlicher Art zu begleiten und zu kontrollieren.

Hintergrund ist, dass in vielen Bereichen Produkte in den Mitgliedsstaaten der EU nur vertrieben werden dürfen, wenn sie bestimmten (Sicherheits-)Anforderungen genügen. In einfachen Fällen bescheinigt der Hersteller sich selbst, dass sein Produkt die Anforderungen erfüllt (die Konformität mit den Anforderungen), häufig aber muss eine neutrale, fachkompetente Stelle einbezogen werden – eben die Notifizierte Stelle.

Seit dem Jahr 2022 ist das BEV zusätzlich dazu Notifizierte Stelle für die Verordnung (EU) über Persönliche Schutzausrüstung (PSA).

Die Übernahme dieser Agenden war hauptsächlich durch die COVID-19-Pandemie bedingt, in welcher das BEV innerhalb kürzester Zeit ein Labor für die Maskenprüfung aufgebaut und die Masken auch selbst geprüft hat.

Organisationsänderung und neue Aufgaben im Bereich der Marktüberwachung

Die bislang letzte große Organisationsänderung im BEV war aufgrund der Übernahme der Agenden der Marktüberwachung und der Verbraucherbehördenkooperation notwendig. Zu diesem Zweck wurde eine eigene „Gruppe Marktüberwachung“ geschaffen.

Mit BGBl. I Nr. 109/2022 trat das Verbraucherbehördenkooperationsgesetz am 20.07.2022 in Kraft, mit welchem die Agenden auf das BEV übergingen. Das BEV ist seitdem Teil des europaweiten Netzes der Verbraucherbehördenkooperation. Die Aufgabe besteht darin, europaweite Verstöße zu melden und gemeldete Verstöße abzustellen.

Das BEV ist dabei zuständig für die Bereiche Preisangaben, unlautere Geschäftspraktiken, irreführende Werbung, Dienstleistungen im Binnenmarkt, Luftverkehrsdienste, Verbraucherkreditverträge, Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen und Geoblocking.

Mit umfassenden Novellen im Jahr 2022 im Zusammenhang mit dem Unionsrecht wurden im BEV eine Zentrale Verbindungsstelle für Marktüberwachung eingerichtet und gleichzeitig mehrere Marktüberwachungsvollzugsagenden gebündelt.

Das BEV wurde nun gesetzlich als Zentrale Verbindungstelle Marktüberwachung benannt und ist damit für die Koordinierung der Marktüberwachung in Österreich zuständig. Es erfüllt folgende Aufgaben:

  • die Koordinierung zwischen den zuständigen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern
  • die Ausarbeitung von koordinierten Stellungnahmen und die Vertretung einer abgestimmten Haltung
  • die Unterstützung der Zusammenarbeit der Marktüberwachungsbehörden bei grenzübergreifenden Amtshilfeersuchen
  • die Übermittlung der nationalen Marktüberwachungsstrategie

Mit einer Sammelnovelle wurden dem BEV weitere Sektoren als Marktüberwachungsbehörde überantwortet. Das BEV ist damit nunmehr insgesamt zuständig für:

  • Aufzüge und Sicherheitsbauteile für Aufzüge
  • Elektrische Geräte
  • Geräte für explosionsgefährdete Atmosphären
  • Sportboote
  • Erzeugnisse in Fertigpackungen und Maßbehältnisse
  • Geräte zur Verbrennung gasförmiger Brennstoffe
  • Kennzeichnung von Kristallglas, Schuhen und Textilien
  • Maschinen
  • Messgeräte
  • Persönliche Schutzausrüstung
  • Umweltbelastende Geräuschemissionen von zur Verwendung im Freien vorgesehenen Geräten und Maschinen

Zusätzlich dazu wurden auch die Eichämter, die bislang in der Gruppe Ämter angesiedelt waren, in die Gruppe Marktüberwachung eingegliedert.

Auch abseits der Gruppe Marktüberwachung hat sich die Organisation im BEV geändert:

  • Auflösung der Bereiche R und I und Schaffung des Präsidiums
  • Umbenennung der Gruppe Ämter in Gruppe Kataster und Zuordung der Eichämter zur Gruppe Marktüberwachung
  • Eingliederung der Stabsabteilung Staatsgrenzen in die Gruppe Kataster
  • Schaffung neuer Abteilungen in der Gruppe Vermessungswesen bedingt durch die Aufteilung der IT in Infrastruktur und Applikationen

Das Organigramm des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen im Jahr 2023

Organigramm
Foto: Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen

Liste der Präsidenten des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen

Name Dienstzeit
DI Alfred Gromann 25.02.1921 (Bundesvermessungsamt) bis 05.02.1938
DI Karl Lego 18.08.1947 bis 31.12.1949
DI Leo Uhlich 01.01.1950 bis 31.12.1952
DI Dr.iur. Franz Schiffmann 01.01.1953 bis 31.12.1959
Ing. Dr. techn.h.c Karl Neumaier 01.01.1960 bis 31.12.1963
Dr. phil. Josef Stulla Götz 01.01.1964 bis 31.12.1966
DI Wilhelm Eördögh 01.01.1967 bis 31.12.1968
DI Ferdinand Eidherr 01.01.1969 bis 31.12.1976
DI Friedrich Hudecek 01.01.1977 bis 31.12.1981
DI Dr.techn. Friedrich Rotter 01.01.1982 bis 31.12.1985
DI Friedrich Hrbek 01.01.1987 bis 30.06.1995
DI August Hochwartner 13.09.1995 bis 30.11.2012
DI Wernher Hoffmann seit 19.12.2012

Das BEV im Jahr 2023 – Ein Resümee

Der vorliegende kurze Abriss der Geschichte des BEV ist in keinster Weise als eine vollständige Auflistung zu verstehen. Vielmehr soll eine kompakte Übersicht über die Anfänge, die Organisation, die Aufgaben und einige Meilensteine des BEV gegeben werden.

Das BEV blickt auf eine lange Geschichte zurück und hat im Laufe der Jahre - trotz knapper Ressourcen - durch kluge Investitionen in Digitalisierung etc. das Leistungsspektrum nicht nur aufrechterhalten, sondern auch laufend verbessert. Es hat darüber hinaus auch die Herausforderung angenommen, neue Aufgaben abseits der Kernkompetenzen zu übernehmen, was insbesondere die letzten Jahre gezeigt haben.

Die angesprochene Innovationskraft wurde im Jubiläumsjahr 2023 sogar ausgezeichnet. Bei der Verleihung des Verwaltungspreises 2023 konnte das BEV in der Kategorie 2 – „Innovatives Servicedesign, digitale Services“ für die Applikation kataster.bev.gv.at den ersten Platz erreichen.

Was die nächsten 100 Jahre noch mit sich bringen, kann zum derzeitgen Zeitpunkt niemand voraussagen. Fakt ist jedoch, dass das BEV sowohl organisatorisch als auch von seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern her, ausgezeichnet dafür gerüstet ist.

 

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